Warum ist gerade in der Landwirtschaft der kritische Diskurs, also das Gegenüberstellen verschiedener Meinungen, so wichtig? Soll im produzierenden Gewerbe ein Produkt entwickelt oder eine Innovation auf den Weg gebracht werden, kommen verschiedene Abteilungen in einem wie auch immer gearteten Entwicklungs- Produktentstehungs- oder Innovationsprozess zusammen. Neben der Entwicklungsabteilung z.B. die Qualitäts-, Fertigungs- oder Finanzabteilung. Und der Vertrieb, dem die wichtige Rolle zukommt, die Sicht und Erwartung des Kunden einfließen zu lassen. Denn klar ist, ohne Kunde, der am Ende bereit ist für das Produkt zu zahlen, macht keine Produktentwicklung einen Sinn.
Solche Entwicklungs- und Innovationsprozesse mit der Beteiligung unterschiedlicher Abteilungen haben wir auf den landwirtschaftlichen Betrieben nicht. Und selbst wenn wir dies organisatorisch hätten, fehlte das Entwicklungsbudget an Zeit und Geld. Wie können wir das in der Landwirtschaft also machen? Wir haben zwar keinen Vertrieb, aber wir haben den großen Vorteil, dass jeder Mensch ein potenzieller Kunde ist. Alle müssen essen, trinken und in einer Umwelt leben – und sie wollen das gut tun. Also warum den Endkunden nicht fragen? Klassisch über Marktforschungsdaten oder wissenschaftliche Studien, aber auch modern kann die Kundenmeinung aktiv eingeholt werden. Wenn auch ggf. nicht repräsentativ, so kann es auf lokaler Ebene – der Ebene wo wir etwas bewegen wollen – wertvolle Hinweise geben.
Wenn z.B. ein Direktvermarkter ein neues Produkt auf den Markt bringen will, warum nicht die Öffentlichkeit der Zielregion einbeziehen, z.B. durch Online-Umfragen in den Sozialen Medien oder (Muster-)Verkostungen im Vorfeld der Markteinführung? Warum bei einem Stallbau nicht vor dem Bauantrag die Öffentlichkeit einladen und deren Meinungen oder Bedenken zu erfahren. Dabei kann auch der Nutzen (z.B. mehr Tierwohl oder weniger Tiertransporte) erläutert werden und ein gemeinsames Verständnis erreicht werden.
Anwendungsfälle und Möglichkeiten gibt es viele. Wichtig ist auch nicht die Form, sondern dass Kundenorientierung überhaupt stattfindet. Ausschlaggebend ist dabei die Sichtweise, dass jede Meinung eine Bereicherung ist. Und dabei gilt: „je kontroverser, je besser“. Denn damit wird wissenschaftlich gesprochen der Lösungsraum maximiert, also der Bereich, in dem neue Lösungen zu finden sind. Andere Meinungen müssen dabei nicht zwangsläufig geteilt, aber wertschätzend gesehen werden. Eine andere Meinung „niederbrüllen“, wie es heute oftmals nicht nur in der Landwirtschaft passiert, ist nicht nur unmenschlich, es ist auf der Suche nach der besten Lösung sogar dumm.
Diskurs mit Menschlichkeit – wenn wir Werte anderer einholen und schätzen, entsteht Wertschätzung. Eine Wertschätzung aus der Veränderung mit Wertschöpfung entsteht.